Spielend lernen

Schüler der sechsten Klasse der Realschule Lenningen entwerfen eigene Gesellschaftsspiele.

„Nenne mir drei Ozeane“, fordert Sina ihre Mitspielerin auf. Diese legt die Stirn in Falten. Für kurze Zeit verharrt die ganze Spielgemeinschaft in konzentrierter Stille. Dann müssen einige Mitschüler an sich halten. Sie sind von der Richtigkeit ihrer Aussage überzeugt, disziplinieren sich jedoch selbst. Da eine korrekte Antwort eine Belohnung in Form einer der begehrten Glückskarten nach sich zieht, eine falsche aber die Aufnahme einer Pechkarte bedeutet, ist dies eine entscheidende Situation in dem Brettspiel „Unicorn ärgere Dich nicht“.

Entstanden ist die Mischung aus dem traditionellen „Mensch ärgere Dich nicht“ und verschiedenen Kartenspielelementen im Deutschunterricht. Dieser sieht nach dem aktuellen Bildungsplan beispielsweise das Verfassen einer Spielanleitung vor. Um dies nicht nur in der grauen Theorie abzuhandeln, sollten die Schülerinnen und Schüler handlungsorientiert in Kleingruppen sogleich eigene Spiele erstellen.

„Es sind ganz unterschiedliche Ergebnisse herausgekommen. Manche modifizierten althergebrachte Konzepte, andere versuchten sich in Innovationen und überzeugten nicht selten mit gelungenen Ideen“, erklärte Sarah Schneider. Die Deutschlehrerin ist vor allem von dem Engagement und Eifer ihrer Schützlinge angetan. „Die Spielkarten und –bretter sowie die Kartons wurden größtenteils mit viel Liebe und Aufwand gestaltet.“ Doch nicht nur im künstlerischen Bereich eröffnete dieses Projekt fächerübergreifende Bezüge. Zumeist wurden Wissensfragen und andere Aufgabentypen aus dem schulischen Kontext entlehnt, was ganz nebenbei zu einer Wiederholung bekannter Lerninhalte führte. „Da war die Beherrschung des Stoffs auf einmal cool und lehrreich“, bemerkt Schneider und kann sich ein Grinsen nicht verkneifen.

Entbrennt innerhalb des Spielflusses doch einmal Zwist, ist dies für die Pädagogin mehr Lernfeld als Problem. „Kommt es dann doch einmal zu Ungereimtheiten, liegt es häufig an den Formulierungen in der Spielanleitung oder eben am Missverstehen derselben. Die Kinder merken in der Regel recht schnell, von welch elementarer Bedeutung eine präzise Ausdrucksweise und ein ausgereiftes Leseverständnis sind.“

Dass die liebevoll umgesetzten Produkte nun im Schrank verstauben, will Schneider aber auf keinen Fall zulassen. Ihre Schülerinnen und Schüler sollen stolz auf ihren Erfolg sein und erkennen, dass sie weit über den unterrichtlichen Rahmen hinaus wirken können. Sie denkt bereits über eine Ausleihe an die Ganztagesschule nach, vielleicht sogar an eigens anberaumte Spielenachmittage. Sollte sich in diesem Zusammenhang ein richtiger Renner herauskristallisieren, könnte man ja sogar über eine Vervielfältigung in kleiner Stückzahl nachdenken und einen Vertrieb über den Eine-Welt-Laden einrichten. Das wäre dann sogar noch besser als jede Glückskarte.

Alexander Tomisch